Essay und Hommage an J. Mankiewicz und Chembongo*
PROLOG
Menschen lernt man viele kennen: In der Schule, auf der Straße, vor dem Schalter, hinter der Theke, über das Internet, unter dem Regenschirm, bei Gelegenheit, durch Zufall, zwischen zwei Sitzungen, per Inserat, nebenan…
EINFÜHRUNG ZUR PERSON
… Einen Menschen wie Jack (Jacek) Chembo Mankiewicz lernt man höchstens ein- oder zweimal im Leben kennen. Ich habe 82 Jahre darauf warten müssen. Auch auf wirklich unerwartete und verblüffende Dinge muß man lange warten.Wenn diese Objekte auch noch von überragender Schönheit und Perfektion sind, tendiert die Wahrscheinlichkeitsquote gegen 0,1.
Beides traf aber 2022 in GroßHeide ** zusammen. Er, Chembo, wie ich ihn nenne, und seine Chembongos* standen, lagen, drehten und bewegten sich – und mich – an seinem Stand bei der Kulturellen Landpartie (ein Kultur-Event im Wendland) in dem Dorf in dem ich seit 50 Jahren meinen Zweitwohnsitz habe. Sein Äußeres – nichts besonderes! Weder groß noch klein, nicht dick, nicht schlank, weder glattresiert noch mit Rausche-Bart.
Wüßte man nicht, daß er 75 Jahre alt ist, könnte er hinter einem Bank schalter sitzen, als Bäcker oder Bademeister sein Brot verdienen, in jeder AutoWerkstatt unter Autos liegen, dann wohl nicht die bevorzugt weiße Kleidung tragen. Ließe er sich in einen Frack stecken, wäre er als Dirigent für jedes Synfonie-Orchester gut, vielleicht auch als Ernest Hemingway Double…
HAUPTTEIL MIT LAUDATIO
… Dann aber, wenn er redet, sich und seine Chembongo-Kinder mit-teilt und vorführt,
sieht man eine geistesblitzende, geniehafte Ausnahme-Person. Man erlebt eine suggestive
Überzeugungskraft sondergleichen. Überzeugungs-Kunst die gefangennimmt, einen schwer wieder losläßt, genauso wie seine vielen Geschöpfe in verschiedenem Material, nicht nur Chembongos.
Eine stattliche Design-Palette ist da zu bestaunen: Windlicht AMEN aus Edelstahl, frühlich funktioneller Nußknacker namens CRACKY, kuriose Pfeffermühlen, edle Füllfederhalter, ungewöhnliche Kugelschreiber und Druckbleistifte, asymmetrische Salz&Pfefferstreuer, handhabbare Kleiderbügel, ergonomische Küchenschneidewerkzeuge und Scheren, die man dem zu-und kleinschneidenden Teil der Menschheit nur wünschen kann, daß sie endlich, noch zu seinen Lebzeiten, als Produkte verwiklicht und erhältlich werden.
So weit so gut, aber es kommt noch beser. Denn für mich sind J.M.’s “Wackelhölzer” von deren Existenz ich nichts gewußt hatte, eine echte Erleuchtung! Es sind kleine und größere ästhetische und technische Wunderwerke, denen eine Basisform zugrunde liegt, die dem Propellerprinzip folgt.
Ein doppelspitzendiges, handsames, einfaches Gebilde wie eine janusköpfige, fischähnliche Urform. Auf den ersten Blick in symmetrisch statischer Vollkommenheit, entpuppt es sich in Bewegung gesetzt als unvorhersehbar eigenwilliges alogisches Wesen. Deshalb auf- und angeregt habe ich mir andere assoziative Namen für diese geheimnisvolle Spezies ausgedacht: KEHRTWENDIGER ZITTERSTAB, VOR-UNDRÜCKREHENDES KREISEL-SCHEIT, DAS ANDERSRUM OPPOSITIONSHOLZ, MERRYCHEMBOGOROUND.
Obwohl er sie auch in Metall, Kristall, Kunststoff realiziert hat, gilt meine Bewunderung den vielfältigen Exemplaren aus Hölzern dieser Erde. Es sind die harten und härtesten und schwersten und attraktivsten die in Mankiewicz’s Händen zu makelloser Gestalt und Oberflächenschönheit gedeihen. Schon ihre Namen verzaubern: Grenadill, Schlangenholz, Thuja, Rosen-und Ebenholz, Amboina, Pockholz, Buchsbaum, Amaranth…
Sie machen neu-gierig auf das nächste, neue, andere, kreiselnde Holz-Stab-Scheit; auf die fantastischen Maserungs-Zeichnungen und Farben von tief schwarz, über violett, rotbraun bis hell ocker-gelb, fast zitronweiß, die bei Kunstlicht besonders hevorleuchten. Dabei erscheinen manchmal physiognomische oder figürliche Bilder-Assoziationen, je nach Einbildung des Betrachters. Sie wiederzuerkennen, darüberzustreicheln, durch die Hände gleiten zulassen, beschert ein besonderes Vergnügen und regt zur Kontemplation an. Meditativ kann schon allein das einfache Verfolgen der ungestörten Drehbewegung sein; links oder rechtsdehend. Es läßt eine sanfte Ahnung von Perpetuum Mobile aufkommen. Tibetische Gebetsmühlen-Visionen liegen nicht fern. Orakelshaftes gegeneinander von zwei oder mehr Exemplaren verleitet zum entspannt gespannten Wettlaufspielen: Welches hat die größte energetische Vitalität, hält am längsten durch? – Noch aufregender ist dann aber die unvermutete Umkehr, die Kehrtwende bei gegenläufigem Andrehen! Zunächst das sich fügen und folgen der fremdbestimmten Richtungskraft; dann das zitternde, Unmutsgeräusche hervorrufende, wackelnde, verhaltende “Überdenken” der Situation; schließlich der entschlossene Halt, ein kurzer Starremoment; um da heraus mit frischer und freudiger Energien selbstbestimmt die Richtung zu ändern, die “Kurve zu kratzen”: Entgegen aller logischer Voraussicht! Man spürt die Lust auf Ungehorsam, an Opposition, am “Andersrum”.Manchmal geschieht es sogar, dass der eigene Kehrtentschluß zum zweiten Mal überdacht und mit anarchischem Hintersinn wieder zurückgedreht wird.
ERGÄNZUNG & SCHLUSS
Ein besonderes Kapitel ist die Entdeckung von chembongogeeigneten Hölzern aus meinem eigenen Garten, die den edlen Troppenhölzern teilweise kaum nachstehen, sie in Punkto Lebendigkeit der Struktur und Maserung, Farbintensität und Kontrastsärke, Härte, Schwere und Biegsamkeit manchmal übertreffen können. Mehrere Holzarten (Birne, Apfel, Wildpflaume, Wildmirabelle, Eschenahorn u.a.) von Alter und Sturm umgefallen, sind es, die dergestalt von Feuerholz zu J.M. Chembongos mutierten. Durch seine Kunstfertigkeit und seinen Fleiß*** werden sie als Zeugnis von 150 Jahren GroßHeider Gartengeschichte überleben, für mich gegenwärtig bleiben.
CHEMBONGO – RERUMEE
Diese in sich vollkommenen Kunst-Stücke, die an archaische Kuhhörner, an ägyptische Hieroglyphen-Zeichen erinnern, könnten schon alleine als Holz-Muster-Beispielsammlung bestehen. Darüberhinaus sind sie noch physikalisches Bewegungs-Rätselphänomen und nicht zuletzt stimmungsaufhellendes interaktives Spielzeug.****
Was will man mehr!?…
Hermann Waldenburg, GroßHeide, Februar 2023
* Auskunft über Herkunft und Bedeutung der Wortschöpfung gibt sein Autor J.M. (so sein Monogramm) mit erstaunlicher Eloquenz und beharrlicher Ausdauer.
** 29i451 Dannenberg OT. Groß Heide
*** Zitat: “Genie ist Fleiß”